Format: Text
Land: Armenien
Thema: Minderheiten
Sprache: Deutsch

Autor: Simon Jacob

Ort: Jerewan, Armenien

Kategorie: Artikel

Rubrik: Minderheiten

Datum: 25.11.2015

Portal: www.simonjacob.info

Textdauer: ca. 5 Min.

Sprache: Deutsch

Titel: Assyrisch – Christliche Dörfer in Armenien

 

Assyrisch – Christliche Dörfer in Armenien

 

Arsen Mikhaylov, Präsident der „Assyrian Association Of Armenia“ begegnet uns mit einem freundlichen Lächeln in Arzni, einem Dorf nördlich von Jerewan gelegen. Um 1828 von assyrischen Christen gegründet, deren Vorfahren einst aus sieben Dörfern aus Urmia im heutigen Iran aufgrund des russisch – persischen Krieges in diese Region umsiedelten. Die 4000 Seelen zählende Gemeinde hat inzwischen eine ethnisch gemischte Bevölkerung. Armenier, Assyrer, Russen, Griechen und Jesiden leben hier zusammen. Das Gemeindeleben wird in Russisch, Armenisch und Ostaramäisch/Ostsyrisch, hier auch Assyrisch genannt, organisiert. Interessant dabei ist, dass die Gemeinde sehr viel Wert auf Bildung legt. In der Gemeindeschule wird neben Armenisch, Russisch, Ostaramäisch/Ostsyrisch auch Englisch und Deutsch gelehrt. Besonders als deutscher Staatsbürger hat mich diese Tatsache natürlich hocherfreut. Der deutschen Sprache wird viel Wert beigemessen, so die junge Deutschlehrerin, Rozsa Sargsja, mit der wir ein ausführliches Interview führen konnten. Im Gespräch mit dem zuständigen Bürgermeister, Benjamin Benjamirov, erfahren wir mehr über die Vorfahren der hier lebenden Assyrer. Dass sich die Kultur und Tradition seit fast 200 Jahren in diesem Umfang erhalten hat ist auch der Tatsache geschuldet, dass gerade in der sowjetischen Isolation die Gemeinden an ihren Wurzeln festhielten. Religion war zwar verboten oder konnte zumindest nicht öffentlich ausgelebt werden. Dies führte jedoch vermehrt dazu, dass die assyrischen Christen und andere religiöse Gemeinschaften im Verborgenen ihren Glauben zelebrierten. Damit verbunden konservierten sie auch ihre Tradition und Kultur, die bis zum heutigen Tag erhalten geblieben ist. Nach dem Besuch in den Klassenräumen der Schule hatten wir auch noch Gelegenheit, die Marienkirche zu besuchen, welche gerade renoviert wird. Interessant dabei ist, dass die tragenden Säulen des Gebäudes einst aus Urmia nach Arzni geschafft wurden. Die Messe wird nach dem assyrisch – apostolischen Ritus zelebriert. Eine weitere Kirche, in der nach dem im Iran gängigen Ost-Ritus die heilige Messe gefeiert wird, liegt im assyrischen Dorf Verin Dvin.

 

Dvin besuchten wir ein paar Tage später und auch hier wurden wir herzlich empfangen. Der zuständige Geistliche, Qasha (Pfarrer) Nikademus Yukhanaev, absolvierte sein Studium in Duhok im Irak, bevor er der erste Geistliche der Gemeinde seit Jahrzenten wurde.

 

Vater Nikademus ist mit seinen 27 Jahren sehr jung. In der neu renovierten Sankt Thomas Kirche suchen wir das Gespräch mit ihm.

 

Der junge Geistliche, der tief im Glauben verankert ist, hat sich vorgenommen der Gemeinde wieder mehr Glauben einzuhauchen. Dazu bittet er auch andere Gemeinden weltweit mit ihm Kontakt aufzunehmen. Wichtig ist ihm auch die Bildung der Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde.

 

Gemeinsam mit der Direktorin der örtlichen Schule zeigt man uns die Klassenräume und die Fächer, in denen gelehrt wird. Dank staatlicher Unterstützung können die Kinder neben Russisch, Armenisch auch Ostsyrisch/Ostaramäisch (Assyrisch) lernen. Und viele Kinder nehmen am staatlich geförderten Unterricht teil, wie wir uns selber überzeugen können.

 

Qasha Nikademus würde auch gerne den Kindergarten und den Gemeindesaal ausbauen, doch dazu fehlen die Gelder. Über Unterstützung, gekoppelt an Bildungsprojekte, würde er sich deshalb sehr freuen.

 

Dvin liegt ungefähr 30 km südlich von Jerewan und beherbergt ca. 2700 Familien. 2000 davon zählen sich zu den Assyrern. Damit bildet Dvin die größte assyrische Gemeinschaft in Armenien. Mit einem Lächeln verabschiedet sich der Geistlich von uns, nicht ohne vorher noch einmal die Bitte zu äußern, ihn in seinem Vorhaben, mehr Bildungsräume für die Kinder zu schaffen, zu unterstützen.

 

Noch am späten Nachmittag erreichen wir Dimitrov. Das dritte Dorf von vier Dörfern in Armenien, welches assyrisch – christlich geprägt ist. Nadja, die Gemeindevorsitzende, empfängt uns in der russisch – orthodoxen Kirche Mar Kuryakus. Die Gemeinde, die nach dem berühmten bulgarischen Verfechter des Kommunismus, Georgi Dimitrov, benannt wurde, zelebriert die Messe nach russisch – orthodoxem Ritus. Nach der Besichtigung der Kirche lud uns Nadja zu sich und ihrer Familie ein, wo wir die Köstlichkeiten der Region probieren durften: Domla (Fleischgericht eingewickelt in Kohl), Wein und frische Früchte.

 

Das Dorf mit der kleinsten assyrischen Gemeinde, Nor Atagers, konnten wir aus zeitlichen Gründen nicht mehr besuchen.

 

Insgesamt leben geschätzt zwischen 3000 und 4000 Assyrer in Armenien. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion dürften es um die 6000 gewesen sein. Viele sind inzwischen in Moskau, da die wirtschaftliche Lage dort besser ist.

Kontaktadressen:

 

Arsen Mikhaylov, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!,

Büro: 0037410 565 151

Facebook: Arsen Mikhaylov

Qasha Nikademus Yukhanaev

Büro: 00374 93 50 7571

Facebook: Qasha Nikademus Yukhanaev

 

Simon Jacob

Jerewan, 25.11.2015

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